Es klingt wie aus einem schlechten Drehbuch, doch die Geschichte von The Big Sick ist tatsächlich so passiert, denn genau so haben sich Comedian und Silicon Valley-Darsteller Kumail Nanjiani und seine Frau Emily V. Gordon kennen gelernt. Und wer könnte diese Geschichte besser erzählen als die beiden selbst. Also haben sie das Drehbuch geschrieben, mit Judd Apatow (Girls, Brautalarm) einen Produzenten gefunden, der sich bestens mit amerikanischen Komödien auskennt und mit Michael Showalter (Hello, My Name is Doris) als Regisseur noch eine ordentliche Portion Indie-Kino mit in dieses Projekt hineingebracht. Das Ergebnis mit dem Titel The Big Sick schlug in Sundance jedenfalls ein wie eine Bombe und wurde beim SXSW-Festival mit dem Publikumspreis bedacht.
Aber wie sind Kumail Nanjiani, der sich hier selbst spielt, und Emily V. Gordon (Zoe Kazan) denn nun zusammengekommen? Nun, auf den ersten Blick ist das eine ganz klassische Geschichte. Er, der Stand-up-Comedian, trifft sie, die Psychologiestudentin, bei einem seiner Auftritte; die beiden kommen ins Gespräch und landen im Bett. So weit, so klassisch. Aber Emily hat nicht vor, Kumail danach wiederzusehen. Sie hat zu sehr mit dem Studium zu tun und keine Zeit für andere Dinge oder die Liebe gar. Aber na ja, irgendwie schlafen die beiden dann doch immer wieder miteinander, schwören dann anschließend, sich nie wieder zu sehen und tun dann doch genau dies. Bis sie eben doch in einer Beziehung gelandet sind. Doch es gibt ein schwerwiegendes Problem: Kumail verschweigt Emily vor seiner Familie — und dafür gibt es auch einen Grund. Seine Eltern haben viel auf sich genommen und viel zurückgelassen, um nach Amerika zu kommen und jetzt halten sie an pakistanischen Traditionen fest. Vor allem an denen, dass Kumail Arzt oder Anwalt werden muss und dass er eine pakistanische Frau heiraten soll, eine arrangierte Ehe also, bei der die Liebe keine Rolle spielt. Lehnt er sich dagegen auf, ergeht es ihm wie seinem Cousin: Er wird aus der Familie verstoßen. Und die ist Kumail nun einmal das Wichtigste. Als Emily eine Schachtel mit dutzenden Fotos der Ehe-Anwärterinnen findet und bemerkt, dass sie und Kumail eigentlich keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben werden, macht sie schweren Herzens mit ihm Schluss. Doch dann erkrankt Emily plötzlich schwer. Sie leidet unter einer mysteriösen Infektion, die sich in ihrem Körper ausbreitet. Kumail eilt ins Krankenhaus, doch ehe er sich versieht, ist Emily in ein Koma versetzt worden. Der junge Mann ist verzweifelt — und dann treffen auch noch Emilys Eltern Beth (Holly Hunter) und Terry (Ray Romano) ein. Und diese finden es schon ein wenig komisch, dass der Ex-Freund plötzlich ihre und Emilys Seite nicht mehr verlassen will. Aber dann freunden sie sich doch mit dem komischen Ex-Freund ihrer Tochter an.
The Big Sick offeriert dem Publikum eine klassische amerikanische RomCom mit spürbarem Indie-Geschmack. Die Konzentration liegt ganz bei den Charakteren, die hier durch Nanjiani und Kazan hervorragend repräsentiert werden. Die beiden haben einen feinen, intelligenten Humor und harmonieren von der ersten Sekunde an prächtig miteinander. Es bereitet sehr viel Spaß, den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich immer näher kommen. Dabei ist es vor allem Nanjianis eigene Geschichte, die hier einen neuen Aspekt mit hineinbringt. Er nutzt das RomCom-Vehikel, um eine kluge und stets feingliedrige Geschichte über Migranten der ersten und zweiten Generation zu geben, die zwischen den Traditionen ihrer Heimat und denen ihres neuen Zuhauses zerrissen sind und letztendlich unter einigen Opfern und Schmerzen ihren eigenen Weg finden müssen.
Doch es ist keinesfalls so, dass die Familie Nanjianis mit all ihren Fehlern hier als rückständig oder böse gezeigt würde. Dysfunktional sind sie, das ist wahr. Und damit sind sie schon wieder auf ihre ganz eigen Weise sehr amerikanisch. Bis in die kleinsten Nebenrollen zeigt The Big Sick Charaktere, die dreidimensional und ambivalent sind, die mal Gutes tun und dann wieder nicht. Und das schließt Nanjiani selbst durchaus mit ein. Er changiert zwischen den Polen liebevoller Freund und verlogenes Arschloch hin und her, so wie wir es im echten Leben eben doch manchmal alle tun. Die Geschichte(n), die The Big Sick erzählt, sind keine einfachen. Sie sind vielmehr kompliziert, verstrickt und durch und durch menschlich. Und genau dieser Humanismus macht den Film zu einem besseren und angenehmeren Werk als viele andere Filme aus diesem Umfeld, die sich letztendlich gern auf Ironie oder gar Zynismus zurückziehen und lieber den absoluten Egozentrismus zelebrieren, als das Leben in all seinen absurden Facetten.
Doch es ist nicht nur die männliche Figur, die hier den üblichen RomCom-Nivellierungsversuchen entkommt. Auch Emily darf mehr sein als nur ein Katalysator für männliche Entwicklungen. Sie ist ebenfalls eine komplizierte Person, die clever und mit Feingefühl Nuancen erkennt, genau benennen kann, was sie will und dies auch deutlich artikuliert. Schade ist nur, dass sie trotzdem zum Teil ein Manic Pixie Dream Girl bleibt, zumindest in der Inszenierung. Vor allem ihr Koma und damit ihre Abwesenheit in einem größeren Teil des Films lassen sie dann doch zu einer Projektionsfläche werden. Doch solange sie etwas zu sagen hat, bewahrt sie klar ihre Grenzen und zeigt anderen die ihren auf.
Es ist nicht so, als würde The Big Sick das Genre neu erfinden oder sich ganz klar und konsequent von ihm absetzen. Nein, der Film bedient all das, was man von einer US-Indie-RomCom erwartet. Aber er tut dies viel besser als die meisten anderen. Denn seine Figuren sind divers und lebendig und mehr als nur Klischees. Alle sind bekloppt, alle haben Probleme, tragen aber auch jede Menge Gefühle und viel Liebe in sich. Und so zeigt der Film vor allem eins: Das Leben ist unvorhersehbar, chaotisch und wahnsinnig. Und die Liebe macht all das nur noch schlimmer. Aber eben auf eine wundervolle Art.